Bis zum Jahr 2000 verließen im Saldo etwa 611 000 Personen den Osten in Richtung Westdeutschland. In den folgenden zehn Jahren bis 2010 wanderten im Saldo noch rund 553 000 Menschen von Ost nach West.
Immer wenn vom Rechtsruck in Ostdeutschland gesprochen wird, geht mir dieser Gedanke um: Sind zu viele der weltoffenen Mitbürger gen Westen abgewandert?
Zu mir:
Ich bin selbst Teil dieser Auswanderer. Für mich ging es dabei allerdings weniger um wirtschaftliches Glück, als die Liebe und Abstand von meiner “lieben Familie”. Und trotzdem fühle ich mich mitschuldig. Hätte ich einen Rostocker statt Badener kennen gelernt, würde ich dort dann gegen rechts kämpfen?!
Aus größerer Flughöhe betrachtet: Ja. Wären mehr weltoffene Menschen im Osten geblieben hätten die Nazis sich nicht so etablieren können. Gleichzeitig bin ich überzeugt, die ursprüngliche Schuld tragen andere. Hätten die Menschen vor Ort Perspektiven gehabt wären sie nicht gegangen, denke ich. Je mehr ich über die Treuhand und die Abwicklung der DDR lese, desto mehr bin ich überzeugt, dass kurzfristige Gewinngier uns langfristig geschadet hat.
Die frühen 90ger waren wahrscheinlich eines der ungünstigsten Jahrzehnte der letzten 100 Jahre für die Wiedervereinigung.
Der ganze neoliberale Reaganism und Thatcherism hatte gerade (West)deutschland erreicht und sich dran gemacht, die dort gewachsenen Strukturen der sozialen Marktwirtschaft zu zerstören.
Die DDR ist mit dem Eintritt in die BRD von einer halbwegs funktionierenden (für die Mehrheit haltgebenden und versorgenden) autoritären sozialistischen Organisationsstruktur mitten in diese existentiell bedrohliche Krise geschlittert.
Wenn sie gekonnt hätte, hätten Honecker und seine Freunde das mit der DDR bestimmt gerne noch ein paar Jahre/Jahrzehnte/… länger gemacht…
Wobei es ja auch nicht viel besser wurde, wenn schon hätte die Vereinigung früher passieren sollen…