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Leipzig. Die Sprühfarbe an der Frontscheibe des Café „Stay“ in Leipzig haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon entfernt. Eine helle Platte aus Pressholz und schwarzes Klebeband auf dem Glas zeugen aber noch von der Nacht auf Dienstag.

Unbekannte haben Steine auf die Scheiben geworfen und das Gebäude mit Graffiti beschmiert. „Don’t stay, be gay“, ist dort unter anderem in lila Großbuchstaben zu lesen gewesen.

Hinter dieser Anspielung auf den Namen des Cafés versteckt sich die Hauptkritik am „Stay“. Betreiber ist die Freikirche „Zeal Church“, die aktuell keine homosexuellen Paare traut und eng mit anderen offen konservativen Kirchen verbunden ist. Dazu zählt unter anderem die „International Christian Fellowship“, auf deren Veranstaltungen schon Vertreter der Konversionstherapien zu Wort kamen.

Dabei handelt es sich um eine umstrittene Methode, bei der Abweichungen von heterosexueller Identität als krankhaft angesehen wird. Laut Bundesgesundheitsministerium kann eine Konversionstherapie „schweres körperliches und seelisches Leid“ verursachen. Der Leitende Pastor René Wagner betont, dass die Zeal Church Derartiges nicht durchführe.

Zum ICF, der Gruppe der die „Zeal Church“ angehört:

Der Zürcher Journalist und Sekten-Experte Hugo Stamm bezeichnete das ICF als eine charismatische Freikirche mit sektiererischen Tendenzen, betont allerdings, dass es keine Sekte sei.[68] Die Fachstelle infosekta fasst die Entfremdung von Familie und Freunden, großen psychischen Stress bei Zweifeln und einen problematischen Umgang mit psychischen Grenzsituationen als mögliche Probleme für Mitglieder auf.[69]

Der Journalist und evangelische Theologe Fritz Imhof kritisierte Infosekta für die potentiell irreführende Entscheidung, „eine christliche Jugendkirche in einer statistischen Tabelle neben der Scientology und dem VPM“ zu platzieren. Auch bemängelte er, dass Infosekta sich bei der Bewertung des ICF hauptsächlich auf Aussagen ehemaliger Mitglieder stütze. Imhof gibt zu bedenken, dass „Aussteiger meist sehr scharf mit ihrer früheren geistigen Heimat ins Gericht gehen. Da ist oft viel Frustration, die in Form von Aggression und entsprechend harten Urteilen kompensiert wird. Aussteiger geben kein neutrales Bild ab.“[70]

So widerspricht auch die unabhängige Informationsstelle INFOREL, Information Religion, der Aussage von Infosekta, nachdem sie ausführlichen Recherchen im Umfeld der Kirche durchführten. Auf der offiziellen Homepage heißt es: „Die ICF unterscheidet sich theologisch nicht von anderen evangelischen Freikirchen […] ICF will vor allem junge Menschen ansprechen, die noch keiner Kirche angehören. Deshalb werden […] Gottesdienste so gestaltet, dass Junge angesprochen werden“.[71]

Das ICF wehrt sich gegen den Vorwurf, eine Sekte zu sein. Beispielsweise erklärte das ICF-Zofingen in einer FAQ auf seiner früheren Website, eine wertneutrale Beurteilung gebe es nicht, wenn man entscheiden wolle, ob eine Gemeinschaft eine Sekte sei oder nicht, der Begriff sei daher grundsätzlich fragwürdig. Die von Sektenexperten benutzten Erkennungsmerkmale für Sekten[74] hielt das ICF-Zofingen für unzureichend und erklärte: „Wir glauben, dass nicht die Sektenmerkmale das primäre Beurteilungskriterium sein sollten, sondern die Auswirkungen, die eine Organisation auf einzelne Menschen und auf die Gesellschaft hat.“ Dass das ICF keine Sekte sei, erkenne man unter anderem daran, dass es keine Mitglieder gebe, niemand daran gehindert werde, die Gemeinschaft zu verlassen, und auch die Finanzen transparent seien.[74]

Weiter wird zu den Anstoßpunkten Stellung bezogen: Das ICF behauptet von sich, dass die biblisch-konservative Ethik „alter Wein in neuen Schläuchen“ sei, das ICF vertrete somit die biblischen Prinzipien nach ihrer Auslegung konsequent und loyal. Es behauptet weiter, dass gerade die biblische Ethik in der Gesellschaft als konservativ und daher veraltet gelte, müsse kein Maßstab sein. Das ICF ist der Ansicht, dass die Homosexualität in der Bibel (vor allem in den Paulusbriefen des Neuen Testaments) als Sünde bezeichnet wird. ICF ist der Meinung, dass sie Homosexuelle nicht diskriminiere, da sie alle Menschen willkommen heiße. Dazu äußert sich das ICF weiter: Es verurteile die Sünde, nicht aber den Sünder. Für das ICF sei jede Sünde vor Gott gleich.

Mord? Homosexualität? Gleich schlimm. Ist ja beides eine Sünde.

https://de.wikipedia.org/wiki/International_Christian_Fellowship#Kritik

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Wagner äußert sich betroffen über den Angriff auf das Café im Stadtteil Reudnitz. „Es ist einfach extrem schmerzhaft. Wir sind höchst schockiert, dass Leute, die Toleranz fordern, rohe Gewalt anwenden.“

Die Kritik, die Freikirche sei nicht inklusiv genug für Personen aus der LGBTQIA±Community, weist er zurück: „Bei uns ist jeder willkommen. Wir haben auch homosexuelle und transgender Menschen in der Kirche.“

Die Zeal Church sei nicht homophob, sagt Wagner. Dass keine homosexuellen Paare getraut werden, sei eine Grenze, mit der sich die Freikirche kontinuierlich auseinandersetze.

„Wir setzen uns mit unserer Homophobie auseinander und entscheiden uns homophob zu sein. Deshalb sind wir nicht homophob.“

Auf sozialen Medien wird die Kirche bezichtigt, erzkonservativ zu sein. Die mutmaßlichen Täterinnen und Täter haben auf der linken Plattform „Indymedia“ ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Darin kritisieren sie „Queerfeindlichkeit und Misogynie“. Sie werfen den Mitgliedern der Zeal Church vor, „dass sie keinen Bock haben, homosexuelle Paare zu trauen.“

Auf Instagram hatte es schon vor der Eröffnung des Café „Stay“ am 24. September kritische Kommentare gehagelt. Als alleiniger Gesellschafter werde die Freikirche alle zukünftigen Gewinne des Lokals erhalten. Für Kundinnen und Kunden im Café sei nicht offensichtlich, wer hinter dem „Stay“ steckt.

Wagner betont aber, dass es kein Geheimnis sei: „Wenn jemand fragt, geben wir Auskunft. Wir sind nicht als Kirche präsent, weil es kein religiöser Laden ist.“

Das Café sei offen für konstruktive Kritik und persönliche Gespräche, steht auf dessen Instagramseite. Darum bittet auch Wagner: „Es ist okay, uns nicht gut zu finden. Ich würde mir einfach wünschen, dass man wieder reden kann.“ Auf seine Gesprächsangebote sei noch niemand eingegangen.

Die Leipziger Polizei ermittelt nun wegen Sachbeschädigung. Die Höhe des Schadens sei noch unbekannt. Wagner schätzt ihn auf mehrere Tausend Euro.