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Heute mal ein Exkurs ins Thema Ökologie und Gärtnern. Irgendwie überschneiden
sich die Themen ja bei vielen Leuten.
Ich habe letztes Jahr eine n=1-Studie gemacht, mit sehr interessanten
Ergebnissen. Und dazu möchte ich euch einen Einblick geben. — Letztes Jahr war
für viele Hobbygärtner und Landwirte eins der schlimmsten Jahre überhaupt.
Zuerst der Frühling mit Dauerregen, der alles hat verschimmeln lassen, und dann
der Dürresommer mit Unwettern, der sämtliche Äcker und Wälder bei mir in der
Umgebung verwüstet hat.
Gleichzeitig habe ich, auf meinem Balkon, ein Selbstexperiment gestartet. Ich
habe mich davor zu einigen Themen, wie z.B. Symbiosen, Nährstoffzyklen, und mehr
in der Natur eingelesen und mich an die Arbeit gemacht.
Mit sehr verblüffenden Resultaten - mein Balkon war der gesündeste in der
gesamten Umgebung und hatte keinerlei Probleme, und das, obwohl ich ständig
vergessen habe, mich drum zu kümmern. Noch nie hat er so gut ausgesehen!
Wie das?
Ich habe meine Pilzzucht-Abfälle in meinen Pflanzkübeln eingebuddelt.
Heißt: vergammelte Grainspawns, aufgebrauchte Holzsubstratblöcke, und alles, was
damit zu tun hat.
Um zu verstehen, was es damit auf sich hat, muss ich zuerst die Hintergründe
erklären.
## Symbiosen
Pilze und Pflanzen formen symbiotische Beziehungen, genannt Mykorrhiza.
Dabei verbinden sich die Pflanzenwurzeln mit verschiedenen (u.a.
Schimmel-)Pilzen und sorgen sich um sich gegenseitig.
Während die Pflanzen Kohlenhydrate und Sauerstoff liefern, spenden die Pilze
konstant andere Nährstoffe, wie CO2, Phosphate, und mehr. Zudem vergrößern die
Myzelfäden die Wurzelfläche um ein zigfaches, was die Aufnahme von Wasser und
Mineralien enorm verbessert.
Außerdem agieren die Pilze gleichzeitig als “Immunsystem” der Pflanze, welches
getriggered wird, sobald sich Fressfeinde (z.B. Läuse), Krankheiten (z.B.
Viren), Dürre oder andere Bedrohungen nähern.
Sie können die Nährstoffversorgung umleiten, Partner-Pflanzen (z.B. andere
Bäume) warnen, Gifte verbreiten, und viel mehr. Nicht umsonst werden
Mykorrhiza-Netzwerke als “Internet des Waldes” bezeichnet.
Pflanze und Pilz stehen im engen Austausch zueinander. Wenn die Pflanze
beispielsweise einen Stickstoffmangel meldet, sondert der Pilz ein giftiges
Locksekret ab, das Insekten anzieht und diese dann verdaut. Wenn der Pilz
wiederrum “Ich habe Hunger” meldet, spendet die Pflanze Energie in Form von
Zucker an den Pilz.
Kaum eine Pflanze kann ohne diese Beziehung überleben. Steril gezogene
Laborpflanzen beispielsweise verkümmern, wenn man ihnen nicht künstlich
Schimmelsporen zusetzt.
[https://feddit.de/pictrs/image/021ba270-1d65-4d86-a4bc-31ca0f79aef7.png] ##
Bodenbeschaffenheit
Das Verbuddeln von Substratblöcken ist nur der Anfang eines langen Kreislaufs.
Sollte die Pilzkultur (z.B. Austernpilz) noch leben, sorgen die Myzelfäden
dafür, dass u.a. Sauerstoff im gesamten Boden verteilt wird.
Die meisten unserer gezüchteten Pilze (z.B. Austernpilze) sind Primärzersetzer,
d.h. sie sind der erste Schritt, um einen umgefallenen Baum zu zerlegen. Sobald
diese ihre Arbeit getan haben, kommen Sekundär- und Tertiärzersetzer, die sich
dann weiter von den Abbauprodukten ernähren. Dadurch wird eine ganze Kette von
verschiedenen Organismen und Prozessen in Gang gesetzt.
Das sorgt auch dafür, dass sich verschiedene (z.B. Schimmel-)Pilze und
Bodenbakterien ansiedeln können, die sich dann selbst erhalten. Würmer und
Insekten können diese dann wieder nutzen und den Boden weiter auflockern, damit
nichts verrottet.
In dieser Zeit speichert die Sägespäne unglaublich viel Wasser. Genau so viel,
dass die Pflanzen (und sonstigen Organismen) nicht vertrocknen, aber auch nicht
so viel, dass sie ertrinken. Sie fungiert also als Pufferspeicher.
Wenn man zusätzlich auch noch etwas Körnerbrut dazu tut, egal, ob vergammelt
oder noch gut, reichert man den Boden damit mit Unmengen an Stickstoff und
anderen Nährstoffen an, die ganz langsam und natürlich an die Umgebung abgegeben
werden.
## Eigene Erfahrung
Bei mir hat es so ausgesehen, dass sich zuvor einen komplett gammeligen
Pflanzeneimer hatte. Er hat entweder muffig gestunken und alles ist mir
verrottet, oder die Pflanzen sind vertrocknet.
Als ich dann aber mein Pilzzeug vergraben habe, waren zuerst, ein paar Wochen
später, Unmengen an Fliegen (Trauermücken) an dem Balkonkübel, dann kamen
Austernpilze herausgeschossen, und dann, schlagartig, hat der Eimer nicht mehr
muffig, sondern nach Wald gerochen. Es ist sogar etwas Schachtelhalm und Farn
herausgesprossen (typische Biotop- und Waldpflanzen), und die Erde war beim
Anbuddeln komplett durchwachsen von weißen Myzelfäden, während die Himbeeren,
die wochenlang um ihr Überleben gekämpft hatten, auf einmal blühten und dann
Früchte trugen. WOW!
Wenn ich mir den selben Kasten heute ansehe, sind dort wieder Myzelfäden zu
sehen, die aber vermutlich von anderen Pilzsorten (Sekundärzersetzer) kommen.
Nach wie vor riecht die Erde nach frischem Waldboden, obwohl der Eimer viel zu
feucht ist.
## Aussichten: Verwendung in der Landwirtschaft, Umweltschutz, etc.
Dass die jetzige Landwirtschaft scheiße ist brauche ich wohl nicht extra zu
erwähnen.
Dank Pestizide, Herbizide, Fungizide, Düngemittel, und vielem mehr, wird die
Umwelt massivst geschädigt.
Die Gewässer, Artenvielfalt (Mikroorganismen, Insekten, Vögel, etc.), und am
Ende auch wir leiden stark darunter, während uns gleichzeitig, im wahrsten Sinne
des Wortes, der Boden unter den Füßen weggeschwemmt wird.
Besonders in meiner Gegend haben wir einen unfassbar lehmigen, kargen Boden,
während sämtliche Gewässer bei mir totgedüngt sind.
Die Düngemittelindustrie ist ebenfalls einer der Hauptverantwortlichen für den
Klimawandel (Stickoxide, Energiebedarf, etc.). Ich kann mir sehr gut vorstellen,
dass die Pilzzucht, in einem industriellen Umfang, dieses Problem mindestens zum
Teil lösen könnte. Wenn Pflanzen und Pilze eine der besten Symbiosen überhaupt
bilden, wieso tun es nicht auch Pilzzüchter und Landwirte?
Crosspost von c/Pilzzucht
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