In unserer vom Leistungsgedanken geprägten Gesellschaft hat Faulheit kein gutes Image. Etwas anders sieht das Bernd Imgrund. Für ihn ist Faulsein fast schon eine wertvolle Tugend.
ZDFheute: Sie haben ein unterhaltsames Buch über das Faulsein geschrieben. Warum war es Ihnen ein Anliegen, sich ausführlicher der Faulheit zu widmen?
Bernd Imgrund: Ich finde es unglaublich interessant, wie viele Facetten die Faulheit hat. Die meisten haben sicherlich erstmal negative Assoziationen im Kopf: Faulheit bedeutet, träg, lethargisch, phlegmatisch oder bequem zu sein. Eine faule Kartoffel verfärbt sich und fängt an zu stinken. Faulheit ist also gleichzusetzen mit Abfall und Wertlosigkeit. Schon die frühen Christen haben die Faulheit zu den sieben Todsünden gezählt. Apostel Paulus hat gesagt: “Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.”
Aber Faulheit ist mehr, sie ist vielseitig und kann sogar sexy sein.
- Bernd Imgrund
ZDFheute: Warum gilt Faulheit heute als Imagefalle und nur, wer über einen vollen Terminkalender klagen kann, wird anerkannt?
Imgrund: Um das zu verstehen, muss man etwas zurückblicken. Ich zitiere niemand Geringeren als den großen Reformator Martin Luther, der gesagt hat: “Wer fleißig arbeitet, der betet zweimal.” Darüber hinaus erinnere ich an die Industrialisierung, mit der die Arbeit ins Zentrum gestellt und zunehmend fetischisiert wurde.
Karl Marx und Friedrich Engels haben das, wenn man so will, auf die Spitze getrieben. Sie haben gesagt, dass sich der Mensch nur dadurch vom Affen unterscheidet, dass er arbeitet. Der moralische Kompass hebt die Arbeit seither in den Himmel. Die Faulheit dagegen hat sich von diesen üblen Tiefschlägen bis heute nicht erholt.
ZDFheute: Sie sehen das anders. Warum ist die Faulheit in Ihren Augen fast schon eine wertvolle Tugend? Imgrund: Vorneweg: Es geht mir nicht um Faulheit im Sinne von Chips essend auf der Couch zu vegetieren und sich dabei medial berieseln zu lassen. Das kann niemand gut finden.
Ich plädiere für mehr Müßiggang, also dafür, das Faulenzen mit Sinn zu füllen. So betrachtet, kann Faulheit sehr wertvoll sein.
- Bernd Imgrund
So bringt sie uns geistig voran, schafft Raum für neue Ideen und frische Impulse. Damit hat Faulheit auch einen gesellschaftlichen Nutzen. Denken wir allein an die Arbeit. Es ist nachgewiesen, dass Pausen nötig sind, um neue Energie zu tanken.
ZDFheute: Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen: Faulheit rettet Leben.
Imgrund: Unbedingt sogar. Es ist kein Geheimnis, dass Menschen, die permanent sehr viel arbeiten, nicht gesund leben. Sie nehmen irgendwelche Substanzen, um alles zu schaffen, oder malträtieren ihren Körpern auf andere Weise, nur um irgendwann doch umzukippen. Dann ist Schluss mit Fleiß und Hektik.
Vielmehr ist genau das Gegenteil nötig, um wieder auf die Beine zu kommen: Faulheit, Nichtstun, Kontemplation, Lässigkeit und so weiter. Der Mensch braucht Pausen. Eigentlich eine banale Tatsache.
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These: Faulheit gibts es nicht. In den meisten Fällen wird “Faulheit” benutzt um Menschen herabzuwürdigen, die eine Aufgabe aus welchem Grund auch immer nicht bearbeiten können. Dadurch dass man diese Menschen als “faul” bezeichnet muss man sich nicht mit deren Situation auseinandersetzen und kann bequem auf seinem hohen Ross sitzenbleiben.
Stell dir vor, man würde reiche Erben die den ganzen Tag nichts anderes tun als mit ihrem Reichtum zu protzen als faul bezeichnen!
Können oder wollen! Und das meine ich völlig undespektierlich, denn wir alle kennen das, dass es Aufgaben gibt, die einfach nerven und keinen Spaß machen, ergo keinen Gewinn durch Erledigung versprechen.
Das ist es übrigens auch, was mit der Arbeit im großen Stil und besonders in Deutschland falsch verstanden wird. Arbeit muss nicht weh tun, sondern Spaß machen und irgendwie Freude bereiteten. Deswegen ist eine Generation Z in dem Sinne nicht faul, sondern die sind einfach im Druck dieser Leistungsgesellschaft auf die Welt gekommen und sehen von Kindesbeinen an, dass das so nicht länger funktioniert (und auch nicht nötig ist).
Ich bin in diesem Bild und es gefällt mir gut.
Ich kann in diesem Zusammenhang auch jedem raten, das Smartphone mal auszuschalten und eben nicht dauerhaft erreichbar zu sein.
Imgrund: Vorneweg: Es geht mir nicht um Faulheit im Sinne von Chips essend auf der Couch zu vegetieren und sich dabei medial berieseln zu lassen. Das kann niemand gut finden.
Gestatten Sie, das ich mich kurz vorstelle? Niemand ist mein Name!
Meine Stunden zu reduzieren war eine der besten Entscheidungen bezüglich arbeiten die ich jemals getroffen habe. Ich stimme ihm also voll zu :D
Zusammenfassung:
Faulheit ist ein Thema, das uns im Alltag oft beschäftigt. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der Faulheit kein gutes Image hat. Dabei kann Faulheit auch positiv sein. Sie bringt uns geistig voran, schafft Raum für neue Ideen und frische Impulse. Dennoch gilt Faulheit als Imagefalle. Warum? Um das zu verstehen, muss man etwas zurückblicken. Ich zitiere niemand Geringeren als den großen Reformator Martin Luther, der gesagt hat: “Wer fleißig arbeitet, der betet zweimal.” Darüber hinaus erinnere ich an die Industrialisierung, mit der die Arbeit ins Zentrum gestellt und zunehmend fetischisiert wurde. Karl Marx und Friedrich Engels haben das, wenn man so will, auf die Spitze getrieben. Sie haben gesagt, dass sich der Mensch nur dadurch vom Affen unterscheidet, dass er arbeitet. Der moralische Kompass hebt die Arbeit seither in den Himmel. Die Faulheit dagegen hat sich von diesen üblen Tiefschlägen bis heute nicht erholt.:::